Mit Supergroups ist das ja ganz generell so eine Sache (und die Musikgeschichte voll von meist eher mäßigen Beispielen – Asia, Soul Circus, Super Heavy…), und die Erfahrung mit der inhaltlich bereits nach wenigen Wochen schon wieder vollkommen verblassten ADRENALIN MOB Platte Portnoy´s ist ja auch noch frisch. Einerseits. Hm, mal sehen.
Andererseits: eine Platte mit Neal und Steve Morse, Mike Portnoy und Dave La Rue – wow, das ist mal echt eine Ansage, und entsprechend groß war dann doch die Vorfreude. Gerade Neal Morse ist jemand, von dem ich (allem tendenziell nervigem Gepredige und den meiner Ansicht nach in letzter Zeit etwas schwächer werdenden Platten zum Trotz) schlicht nicht genug bekommen kann, und ich liebe einfach seine Stimme…doch halt, er singt ja gar nicht, sondern Casey McPherson – äh, wer? Also erst mal den Suchdienst der einen großen Datenkrake bemüht: ah, Sänger von Alpha Rev und Endochine, was mich aber schlicht genauso ratlos zurückläßt. Nun ja, also mit Mut zur Lücke einfach mal drauf einlassen.
Und was soll ich sagen, der Kerl ist mal richtig gut, sehr variabel im Ausdruck, klar artikuliert, mit einem wunderbaren Timbre – eine echte Entdeckung! Keine Entdeckung, nichts desto weniger aber eine Offenbarung ist (mal wieder!) Steve Morse, dessen Gitarrenarbeit gerade in ihrer Vielfältigkeit und Songdienlichkeit ihresgleichen sucht, Portnoy und Neal Morse arbeiten zurückgenommen und präzise und haben beide ihre großen Momente, lediglich von LaRue merkt man eigentlich nicht so viel, er macht da einen gänzlich unaufgeregten und soliden Job.
Die Musik der fliegenden Farben ist angesichts der monströsen Spielfähigkeiten der Instrumentalisten erstaunlich straight und leicht, nur hin und wieder darf´s dann auch mal progressiver und härter sein – über weite Strecken ist das Debüt der Combo schlicht ein ausgesprochen gelungenes Popalbum, das aber (Gott sei Dank!) zu keiner Zeit nach hochpoliertem Poprock-Chartgedöns klingt. Apropos Charts: eine traumhafte Nummer wie „Kayla“ hat absolut das Potential für einen Chartstürmer. Passieren wird’s wohl leider nicht, da bei Popcharts bekanntermaßen praktisch immer Qualität dem Budget (oder in Zeiten des 2.0 dem Freakfaktor) unterliegt, und groß scheint das Budget bei Flying Colors leider wieder mal nicht zu sein.
Weitere Highlights sind für mich das herrlich Beatleshafte „Love Is What I´m Waiting For“, das rockende „Shoulda Coulda Woulda“ und „Everything Changes“. Das etwas an Muse gemahnende „All falls down“ fällt da schon etwas ab , und auch „Better than walking away“ ist kein wirkliches Highlight, aber dennoch ordentliches Albummaterial.
Auf die beiden sperrigeren und ansatzweise Progrockigen Nummern „Blue Ocean“ und v.a. „Infinite Heart“ hätte ich aber verzichten können. Das ist nicht Fisch und nicht Fleisch, das machen die beteiligten Instrumentalisten bei ihren (ehemaligen) Hauptgruppen deutlich besser. Klingt ein bisschen so als wolle man dem Progfan, bei dem die Namen Portnoy und Morse einen spontanen Kaufreflex auslösen, auch was bieten. Wäre meiner Ansicht nicht nötig gewesen, die poppigeren Nummern sind deutlich stimmiger und für mich schlicht besser.
Was bleibt: FLYING COLORS ist ein ausgesprochen gelungenes Album, das so klingt, wie im Moment wenig anderes. Das sind gut geschriebene, arrangierte und eingängige Poprocksongs, die erfreulich wenig stereotyp und abwechslungsreich sind, die den Fähigkeiten der Musiker auch Platz lassen (wahrlich keine Selbstverständlichkeit im Popsegment), ohne allzu verkopft oder narzisstisch zu werden.
Casey Mc Pherson ist für mich eine große Entdeckung, da werde ich mich daran machen, meine musikalische Wissenlücke baldigst zu schliessen. Bleibt zu hoffen, daß die Band über die im Sommer stattfindenden Konzerte auch ein größeres Publikum findet und am Ball bleibt. Weitere Platten wären durchaus willkommen, es darf dann auch gerne ohne PseudoProg-Nummern sein!
- Blue Ocean 7:03
- Shoulda Coulda Woulda 4:29
- Kayla 5:11
- The Storm 4:44
- Forever In A Daze 3:51
- Love Is What I´m Waiting For 3:30
- Everything Changes 6:48
- Better Than Walking Away 4:53
- All Falls Down 3:20
- Fool In My Heart 3:47
- infinite Fire 12:00
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