Meiner Ansicht nach gilt THE BLACKENING bei vielen Metal Fans völlig zu Recht als ein moderner Klassiker der harten Spielart des Metals. Robert Flynn, kongenialer Kopf dieser Truppe hatte sich seinerzeit sogar zu der Aussage verleiten lassen, besagtes Album sei Machine Head’s persönliches MASTER OF PUPPETS – in Anspielung auf Metallicas genredefinierendes Meisterwerk aus dem Jahre 1986. Wer sich so aus dem Fenster lehnt, kann eigentlich nur verlieren… außer man bringt das Kunststück fertig, tatsächlich ein Album zu veröffentlichen, dass den Hörer absolut sprachlos werden lässt. Wie vor vier Jahren mit THE BLACKENING wenigstens teilweise geschehen. Auch wenn das Album vielleicht etwas zu vertrackt und bemüht kompliziert war – Machine Head hatten ein mehr als fettes Ausrufezeichen in die Metalwelt gesetzt.
Natürlich hängt dann der übermächtige Schatten des Vorgängers über dem neuesten Output der Band. Meine Erwartungshaltung an UNTO THE LOCUST war dementsprechend hoch. Sehr hoch. Zu hoch vielleicht, so dass es nahezu unmöglich schien, nicht enttäuscht zu werden. Dachte ich. Doch schon in den ersten Minuten räumten Machine Head meine Bedenken mühelos beiseite.
Das Album beginnt mit dem sprachlos machenden Achtminüter „I am Hell (Sonata in C#)“. Mit einem stimmungsvollen Chorsatz beginnend, macht das Album vom ersten Augenblick neugierig und ab Minute 1:00 bricht über den Hörer ein Inferno herein, zäh wie Lava, brutal und melancholisch zugleich, eine Gänsehaut nach der Anderen bescherend. Die besten Songs machen glücklich und traurig zugleich. Dieser Song ist, wenigstens für mich, ein Vertreter dieser seltenen Art. Vor meinem inneren Auge tauchten Bilder auf : Machine Head, Rock am Ring, zehntausende Fäuste , in die Luft gereckt und aus abertausenden Kehlen schlägt Machine Head ihr eigener Text entgegen: „ I… AM… HELL…“ . Meine Damen und Herren: So beginnen Metal Klassiker. Auf allerhöchstem kompositorischen und musikalischen Niveau lassen Machine Head folgerichtig nichts anbrennen, spendieren nach einer brachialen Strophe dem Song fast wie im Vorbeigehen einen Killerrefrain, nehmen den Hörer mit auf eine komplexe musikalische Reise , steigern sich emotional schwindelerregend in einen musikalischen Wutausbruch erster Güte, den die Band dann unvermittelt bei Minute 6.41 stoppt um den Hörer darauf folgend mit einer melancholischen Akustikgitarre und einem wuchtigen Outro zu entlassen. Ob „I am Hell (Sonata in C#)“, wie dies Gitarrist Phil Demmel in einem Interview anklingen ließ, der „brutalste Song“ ist, den Machine Head je geschrieben haben, wüsste ich jetzt nicht. Er ist aber meiner Meinung nach tatsächlich einer der intensivsten und auch besten Songs der Band.
Mit „Be still and know“ folgt ein eingängiger und durchaus Machine Head typischer Nackenbrecher, der sich durch seine geniale, Iron Maiden zitierende Gitarrenarbeit und einem großartigen Refrain auszeichnet – ein Song, auf den nicht wenige Bands stolz wie Schnitzel wären. Doch nimmt dieser auf Machine Head’s siebten Album doch tatsächlich eher die Funktion eines Übergangtracks ein. Denn es folgt mit „Locust“ folgt ein weiteres Monster mit einem dermaßen wachrüttelnden Strophenriff (Erinnerungen an BURN MY EYES weckend) und von so zwingender kompositorischer Qualität, dass ich vor meinem Laptop auf meinem Balkon kaum noch still halten konnte und fast der Versuchung erlegen wäre, zur allgemeinen Belustigung meiner Nachbarn, die wenigen verbliebenen Haare einem gepflegten Headbangen auszusetzen.
Danach habe ich mir mit offener Kinnlade die Frage gestellt, was um alles in der Welt jetzt noch folgen kann. Die Antwort erwies sich als denkbar einfach: der Rest eines fantastischen Meisterwerks des gesamten Genres von einer der meiner Ansicht nach besten und beständigsten Metalbands härterer Gangart. Das Erbe des eigentlich relevanten musikalischen Schaffens Metallicas, aber auch ganz anderer Einflüsse aus verschiedenen Spielarten des Metals konsequent weiterführend, die frühen Bay Area Heroen (zu denen Rob Flynn als ehemaliges Mitglied der seeligen Vio-Lence ja selbst zählt) ebenso wie die Entwicklungen der Nuller Jahre zitierend, haben Machine Head auch im Jahr 2011 zu einer ungeahnten Größe gefunden und lassen nach THE BLACKENING einen weiteren staunend machenden Meilenstein auf die Menschheit los. Entfesselt, fordernd, progressiv, melancholisch, brutal und beseelt zelebrieren Machine Head mit schnellen Granaten wie „This Is The End“, dem göttlichen, balladesken „The Darkness Within“, und dem kompromisslosen, wenn auch etwas abfallenden Track „Pearls For The Swines“ die Musik , die sie unüberhörbar lieben – harten Metal, wie ich ihn in dieser Qualität schon sehr lange nicht mehr gehört habe. Durchgehend fesselnd, gipfelt das Album in der, ich kann es nicht anders nennen, mitreissenden Hymne „Who We Are“, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dauerhafter Bestandteil jeder Machine Head Show werden dürfte. Großartig!
Versuche, das Gehörte in irgendwelche Genreschubladen stecken zu wollen wirken angesichts der gebotenen Qualität des Songmaterials seltsam unangemessen und unnötig. Auch eine solche Feststellung ist ein Indiz für einen möglichen Klassiker. Ein wirklich lupenreines Thrash-Album, sei es nun in Tradition der 80er Jahre oder in Anlehnung an das, was man gemeinhin gerne einmal als „New School“ Thrash-Metal bezeichnet, ist UNTO THE LOCUST nicht – auch wenn sich Machine Head in diesem Genre unüberhörbar verorten lassen. Zu komplex und progressiv, aber auch zu „melodisch“ kommt das Album meiner Ansicht nach daher. Die Songs, und das ist bemerkenswert, transportieren deutlich mehr Gefühlsfacetten als dies gemeinhin in diesem Genre der Fall ist, trotz aller zweifellos gegebener Brutalität und Brachialität der Musik. Neben der Wut des musikalischen Ausdrucks blitzen nicht nur einmal Gefühle wie Sehnsucht, Melancholie aber inbesondere auch Euphorie und Lebensfreude vehement auf. Die Musik von Machine Head ist der Notwendigkeit einer kleinteiligen Kategorisierung in Subgenres wohl definitiv entwachsen. Das ist sie im Grunde schon sehr lange.
Der Veröffentlichungstermin von UNTO THE LOCUST am 23.09.2011 dürfte für Freunde recht harter und emotionaler, aber gleichzeitig technisch wie auch kompositorisch anspruchsvoller Musik (die Songs sind im Schnitt 7 Minuten lang ) zu einem echten Freudentag werden.
Würden wir hier Punkte vergeben, gäbe es die Höchstwertung von mir. So bleibt mir nur zu sagen: Wow! Ein nahezu perfektes Album. Machine Head dürfte anno 2011 schlicht und ergreifend die beste Band ihres Genres sein. UNTO THE LOCUST hat das Zeug dazu, sehr schnell ein moderner Klassiker zu werden. Es müsste nach der unmaßgeblichen Meinung des Rezensenten mit dem Teufel zugehen, wenn dieses Album nicht einschlagen sollte wie eine sprichwörtliche Bombe.
Hört unbedingt mal in das Album rein und bildet euch eure eigene Meinung.
- I Am Hell (Sonata in C#) (8:25)
- Be Still And Know (5:43)
- Locust (7:36)
- This Is The End(6:11)
- The Darkness Within (6:27)
- Pearls For Swine(7:19)
- Who We Are(7:11)
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