Vor Kurzem flatterte das neue Album von KORN zwecks Besprechung ins Haus. Im begleitenden Infoschreiben der Plattenfirma fand sich u.a. die Formulierung:
„Euch erwartet (…) keine typische KORN Scheibe. Eigentlich erwartet euch nichts, was man in dieser Form schon kennt.“
Nach dem letzten Album, „KORN III – REMEMBER WHO YOU ARE“ , das mehr oder weniger gelungen versuchte, die Qualitäten der ersten Alben KORNS zu replizieren, kommt die Band nun also doch wieder mit einer experimentellen Scheibe mit dem Titel THE PATH OF TOTALITY über den großen Teich. Mit leicht gemischten Gefühlen schob ich den neuen Silberling in meinen CD Player und machte mich vorsorglich auf das Schlimmste gefasst, denn das Wort „experimentell“ in Zusammenhang mit der Musik KORNS war im letzten Jahrzehnt nicht immer ein Garant für gute oder gar relevante Musik. Wie etwa seinerzeit auf „SEE YOU ON THE OTHER SIDE“, hatten derartige Versuche immer etwas Sinnsuchendes, Verirrtes und ja, auch etwas Bemühtes an sich. Zumindestens dann, wenn man die Qualität und kompositorische Brillianz der ersten Alben der Band gewohnt war und deren Maßstab an das jeweilige neue Werk ansetzte . Der Plattenfirma fällt dazu Folgendes ein:
„Auch nach einer zwei Jahrzehnte andauernden Karriere schaffen sie es immer noch, sich selbst neu zu erfinden.“
Nun ja. Große Worte, insbesondere deshalb, weil KORN eben genau das die letzten elf Jahre nie auf ganzer Linie überzeugend gelungen war. Mit THE PATH OF TOTALITY startet die Band nun einen neuen Anlauf und lud gleich mehrere bekannte Namen aus der House – und Dubstepszene ins Studio um gemeinsam dem allseits bekannten Sound von KORN einen neuen und modernen Anstrich zu verpassen.
Der Song „Chaos Lives In Everything“ bildet den Auftakt zu THE PATH OF TOTALITY und stellt erst einmal klar, wohin die musikalische Reise geht. Auf diese für KORN durchaus typische, aber leider eher uninspiriert wirkende Komposition, setzen sich geradezu übermächtig die elektronischen Beats von Skrillex, bürgerlich Sonny Moore, seines Zeichens ein nicht gerade unbekannter DJ im Bereich Dubstep – und das funktioniert ganz erstaunlich gut. Haben Kooperationen von Vertretern elektronischer Musik mit Bands härterer Gangart oft eher den Charakter eines Remixes, wirkt der Sound hier organisch, songdienlich und durchaus symbiotisch. Eine angenehme Tendenz, die sich auf dem gesamten folgenden Album fortsetzt.
Das darauf folgende „Kill Mercy Within“ und gerade „My Wall“ überzeugen als Songs dann schon deutlich mehr als der etwas schwache Opener. Wie gut das elektronische Gewand dem typischen Soundkörper KORNS zu Gesicht steht, zeigt aber erstmals der vierte Song des Albums, „Narcissistic Cannibal“, der absolut zu begeistern weiß. Die folgenden Songs „Illuminati“, „Burn The Obedient“, das in den Strophen an Marilyn Manson erinnernde, düstere Stück „Sanctuary“ sind gutklassig, „Let`s Go“ , vermag mitzureißen, bildet aber letztlich nur den Auftakt für den das ganze Album überstrahlenden Song „Get Up“, mit dem KORN gemeinsam mit Skrillex zu kompositorischer Höchstform auflaufen. Perfekt gesetzte Beats, eine brillante Strophe und ein Refrain, der mich kurz sprachlos werden ließ, zeigen eindrucksvoll, zu welchen musikalischen Großtaten KORN auch anno 2011 noch in der Lage sind. Auch wenn die abschließenden Tracks „Way To Far“ und „Bleeding Out“ mit „Get Up“ nicht mithalten können, enttäuschen sie nicht. Insbesondere das etwas vertracktere „Bleeding Out“ ist ein würdiger KORN-Song.
Insgesamt legt die Band mit THE PATH OF TOTALITY eine experimentelle Skizze darüber vor, wie gut elektronische Musik sich mit dem von der Band zelebrierten Spielart des Metal verträgt bzw. vertragen kann. Das Experiment selbst ist meiner Ansicht nach gelungen, spannend und absolut hörenswert. Songs wie das erwähnte „Get Up“ können jedoch leider nicht darüber hinwegtäuschen, dass Korn noch immer weit von der kompositorischen Form entfernt sind, in der sie sich in den 90er Jahren befanden. Trotz der nicht von der Hand zu weisenden Qualität der meisten Tracks dieses Albums, wirkt die Band über weite Strecken wieder einmal so, als sei sie auf der Jagd nach der eigenen musikalischen Relevanz, die ihnen irgendwo zwischen „Issues“ und „Take A Look In The Mirror“ Stück für Stück abhanden kam und seitdem immer nur über kurze Strecken eines Albums wieder aufblitzt. Auch wenn THE PATH OF TOTALITY ein interessantes Album ist, von der abgründigen Faszination, die KORN textlich und musikalisch auf mich einmal ausübten, habe ich nur wenig gespürt und ich habe das Gefühl, dass so mancher Song des Albums ohne die exzellente Arbeit der elektronischen Konterparts doch eher zu den uninspirierten Werken KORNS zu zählen wären. Besonders hervorzuheben wäre diesbezüglich die Leistung von Skrillex auf THE PATH OF TOTALITY . Ihm gelingt es, einen durchschnittlichen Song („Chaos Lies In Everything“ ) hörenswert zu machen und einen brillanten Song („Get up“) zu perfektionieren. Großes Kino!
Alles in Allem ist KORN mit ihrem neuen Album vielleicht kein ganz großer Wurf gelungen, aber sie setzen immerhin ein fettes Ausrufezeichen in die musikalische Landschaft. THE PATH OF TOTALITY ist ein spannendes musikalisches Experiment, das seine Fans finden, aber gleichwohl auch polarisieren wird. Unbedingt selbst mal reinhören, es lohnt sich!
- Chaos Lives In Everything (Featuring Skrillex)
- Kill Mercy Within (Featuring Noisia)
- My Wall (Featuring Excision)
- Narcissistic Cannibal (Featuring Skrillex and Kill The Noise)
- Illuminati (Featuring Excision and Downlink)
- Burn The Obedient (Featuring Noisia)
- Sanctuary (Featuring Downlink)
- Let’s Go (Featuring Noisia)
- Get Up! (Featuring Skrillex)
- Way Too Far (Featuring 12th Planet)
- Bleeding Out (Featuring Feed Me)
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